Spiessbratenfest
Freitagnachmittag! Gebannt verfolge ich den Zeiger der Stempeluhr. Gleich wird er 16 00 Uhr anzeigen. Feierabend, Wochenende, Spiessbratenfest. Schon Wochen, freue ich mich auf das Fest der Feste, auf diesen Wahnsinnsevent im Vollmersbachtal, auf diesen Schmelztiegel, in dem die Bürger Idar-Obersteins, ungeachtet sozialer Stände und Herkunft, zu einer einzigen feiernden Masse verschmelzen. Da treffen sich Schmuckfabrikant und Galvaniseur, Bauunternehmer und Maurer, zu einem gemeinsamen Bier, oder 10! Da sitzen beim volkstümlichen Abend, der braungebrannte Oberbügermeister, und der (weil er sich schon 8Mal übergeben hat) etwas blasse Sozialhilfeempfänger, keine 5 Meter voneinander entfernt, schunkelnd zusammen!
Ich dusche, trage mein leckerstes Aftershave auf und entschließe mich, mein neustes Shirt und meine beste Jacke zu tragen. Bei dem Wetter, bei der Stimmung, da müsste eigendlich damenmässig etwas klappen. Im grossen Spiegel, vor dem Kleiderschrank, überprüfe ich mein Outfit, werfe der Gestalt im Spiegel einen konkreten Blick zu und stelle selbstzufrieden fest, dass es die Mädels sehr, sehr schwer haben werden, sich meiner Aura zu entziehen!
Auf dem Festplatz angekommen, entschließe ich mich, erstmal 1 oder 2 lockernde Kaltgetränke zu mir zu nehmen. Ich stelle mich im grossen Festzelt an die Theke und ordere ein Blondes, Helles. Auf der Bühne müht sich ein 10.klassiger Animateur, vergeblich ab, das um 19 00 Uhr, noch sehr zähe Festzeltpublikum auf seine Seite zu kriegen. Er erzählt einen Witz, den sich mein Großvater und seine Kameraden, 1917 in der Schlacht von Verdun im Graben erzählten, um etwas heiterer zu werden. Ich weiß jetzt nicht, wie dieser Witz im ersten Weltkrieg ankam, aber hier, auf dem Spiessbratenfest, kam er absolut überhaupt nicht an. Der Animateur merkte dies und versuchte die Stimmung anzuheizen, indem er freihändig einen Kümmerling trank, anschliessend einen Handstand machte und in dieser Stellung versuchte,” Paloma Blanca” zu singen. Die Stimmung stieg nicht merklich und als sich ein paar alkoholisierte Bundeswehrsoldaten anschickten, auf die Bühne zu gehen und dem Spassmacher aufs Maul zu hauen, zog er es vor die Show vorzeitig abzubrechen.
Ich hatte mittlerweile doch schon 4 Kirner getrunken und fand, dass ich schon locker genug bin, den Damen zu zeigen, wo es lang geht.
Als Nächstes, beschloss ich ein paar Runden über den Festplatz zu drehen, um alles mal abzuchecken. Ich traf ein paar Arbeitskollegen, die mich sogleich fragten:” Onn, gehste iewa det Fest?” Ich sagte:” Joh”, und ging weiter meines Weges. Dann traf ich als nächstes ein paar Nachbarn meiner Eltern, die mir sogleich die Frage stellten:” Onn, gehste iewa det Fest?” Ich antwortete mit einem kurzen, bürokratischen:” Joh” und ging weiter. Bemerkenswert, fand ich unter Anderem, die Wahnsinnsgeräuschkulisse auf dem Festplatz. Wo vor 10 Jahren noch der Losverkäufer versuchte, mit einer kleinen, popeligen 100 Watt Anlage, krächzend seine Lose an den Mann, oder die Frau zu bringen, greift der Schausteller heute gerne auf 100000 Watt Anlagen zurück, die im Normalfall genügen würden, ein AC – DC-Konzert mit 20000 Zuschauer zu beschallen. Interessanterweise lag genau im Schallkegel der Monsteranlage des “Musicexpress”, die Ponyreitbahn. Fasziniert beobachtete ich, wie die Ponys pausenlos, unter dem Dröhnen der Stereoanlage, mit zuckerwatteverschmierten Kindern auf dem Rücken, ihre endlosen, traurigen Runden drehten. Das Scenario erinnerte mich an einen Reisebericht im Fernsehen, indem im Iran, Esel eine Ölmühle antrieben. Auch sie mussten ohne Unterlaß, gnadenlos ihre Runden drehen. Doch hätte ich die Wahl, als Esel die Ölmühle anzu treiben, oder als Pony auf dem Spiessbratenfest zu dienen, so wäre ich lieber der Esel. Dann bekäme ich wenigsten nicht 500mal am Tag, mit 100000 Watt, den ” Anton aus Tirol” in die Lauscher gejagt!
Ich lustwandelte weiter über den Platz und begegnete wieder meinen Kollegen vom Anfang meines Festbesuchs. Sie sagten:” Och eloh, Dau schon wiera, wenn ma uus noch emohl begääne, geste die Rond”! Allmählich hatte ich die Schnauze voll von diesen Floskeln und ich beschloss, meinen Kollegen nicht mehr zu begegnen. Ich wollte gerade ins Weinzelt, da hielt mir von hinten jemand die Augen zu! Mit Kennernase roch ich gleich an dem Parfüm, dass es sich um eine Dame handeln musste. Erfreut drehte ich mich um, und starrte ins Gesicht eines anderen Arbeitskollegen. Entäuscht fragte ich ihn, warum er so nach Parfüm rieche, worauf er antwortete:” Eeesch war mol enn die Hegge pisse, onn mein Alt hat noch e so e Erfrischungsdeijschelsche von 4711 debai, doh honn isch ma die Pohde met abgebotzt” Ich war natürlich froh, dass er mir die Augen nicht zuhielt, ohne sich vorher die Hände mit 4711 geputzt zu haben. Ich machte gerde noch etwas Smalltalk mit ihm, als die Nachbahrn meiner Eltern wieder meinen Weg kreuzten und sagten:” Wenn ma uus noch emohl begääne, geste die Rond!” Weil es an sich nette Nachbarn meiner Eltern waren und aus Respekt vor ihrem teils recht fortgeschrittenen Alter, gelang es mir mich soweit unter Kontrolle zu bekommen, dass ich nicht handgreiflich wurde.
Mich fing an zu hungern, und ich ging zum Spiessbratenstand und ass ein Stück Schweene Haas. Das Fleisch schmeckte vorzüglich und gerade als ich zufrieden das letzte Stück einschob, hörte ich eine tiefe, wohlklingende Frauenstimme, die Worte sagen:” Och eloh, geste iewa det Fest?” Ich war so fasziniert, von dem erotisierenden Timbre dieser Stimme, dass ich das letzte Stück Schweene Haas, leider in die Luftröhre bekam und mit Würgen und Zeigefinger sehr arbeiten mußte, um nicht zu ersticken. Wir tranken einige Biers zusammen und ich merkte, dass sie nicht abgeneigt war, sich näher mit mir einzulassen! Ich schlenderte mit ihr durch die Nacht und an der Schiessbude fragte ich sie, ob ich ihr was Nettes schiessen solle, etwa eine Rose, oder ein Schraubenzieher oder so. Der Blick den sie mir auf meine Frage hin zu warf, liess mich sagen:”Dat war doch nure Spass!” Jetzt wusste ich auch, dass es sich bei ihr um eine anspruchsvolle Frau handelte, der man mit solchen Dingen nicht zu kommen braucht. An der Losbude angekommen, kaufte ich kommentarlos, für 80DM Lose und gewann auch promt, den 1,85 m grossen, rosa Plüschbären aus reinstem Polyamit, den ich ihr strahlend überreichen ließ.
Sie sah mich mit weitaufgerissenen Augen an und fragte mich:” Host Dau se noch all emm Chrestbaam? Seij hurtisch zou, dass de dat Dreckveij eloh verschwenne lesst!!!” Sie war sehr schön, wenn sie so zornig war, aber trotzdem musste ich ja den Polyamitbären loswerden. Ich sprach Eltern an, ob sie das Tier nicht für die Kinder haben wollten. Sie sagten:” Der ess doch viel se groß für dat Klään, wenn der off et fällt, es et doch freckt!” Ich fragte die Bundeswehrsoldaten und erklärte ihnen, der Bär wäre doch ein schönes Maskotchen für ihre Einheit. Sie erklärten mir darauf, ruck zuck wäre die Fresse dick! Entäuscht, von den Körben, die ich bekommen hatte, beschloss ich den Bären hinter einem Wohnwagen zu entsorgen. Ich sagte zu der Dame. die mittlerweile schon einigermassen die Faxen dick hatte, ich wäre gleich wieder bei ihr und dann würde ich mich nur noch um sie kümmern!
Ich versuchte den Bären möglichst unauffällig hinter einen Wohnwagen zu schleppen. War gar nicht so einfach, bei 1,85 m und der Farbe. Hinter dem Wohnwagen angekommen setzte ich Teddy gegen eine Hydranten und wollte gerade gehen, als ich an meinem schönen neuen Halbschuh, eine klebrige Masse, aus Magenbrot, gebrannten Mandeln und Kirner Bier festsellte. Leider wurde dieser Platz, vor mir von einem anderen Festbesucher aufgesucht, um sich seines Mageninhaltes zu erleichtern. Voller Wut begann ich wie ein Berserker, mit einem Tempotaschentuch an den Halbschuhen herum zu putzten und war so sehr in diese Tätigkeit vertieft, dass ich nicht den Rottweiler des Schaustellers bemerkte, der sich mir seitlich näherte. Als ich ihn aus den Augenwinkeln kommen sah, war es schon zu spät!
Als erfahrener Festhund, hielt er sich nicht mit Knurren, Zähnefletschen und anderem Imponiergehabe auf, nein, er kam gleich zur Sache! Instinktiv schützte ich mit beiden Händen Gesicht und Hoden. Es war nebenbei bemerkt, ein prachtvoller Rottweiler und auch die Jungs vom Roten Kreuz und der herbeizitierte Artzt sagten, ich hätte noch schweres Glück gehabt.
Frisch von den Sanitätern entlassen, ging ich zum US.Army-Stand, um mir auf die Schnelle ein Tarnshirt zu kaufen. Der grösste Teil meines anderen Shirts, war ja beim Rottweiler verblieben.
Trotz meinen Verbänden und dem merkwürdigen Shirt, versuchte ich wieder Kontakt zu meiner Traumfrau zu bekommen. Ich irrte suchend über den Platz, als mir meine Kollegen begegneten und fragten:” Onn gehste iewa det Fest?” Ein besonders Aufgeweckter stellte fest:” Der seijt mir meh de noh oos, als wär er emm Kreijsch gewähs!” Ich wollte gerade irgend eine freche Antwort geben, als ich meine Bekanntschaft, Hand in Hand mit einem reichen Diamantschleifersohn über den Platz schlendern sah. Ich war wie vom Donner gerührt! Er hatte ihr schon ein Lebkuchenherz gekauft, auf dem stand, “Ich hab dich lieb” und der Ausdruck in den Augen der Beiden, ließ darauf schliessen, dass es keine 2 Stunden mehr dauern wird, bis die Beiden Verkehr haben.
Ich ging zu den Turtelnden und fragte sie:” Wat hott der, wat eesch net honn?” Darauf lächelte sie spöttisch und sagte:” Geld!! Onn osserdeam lääft der net met so em vekackde Bär dursch die Geschend!” Ich lief wie von Sinnen über den Platz und kam erst wieder zu mir, als ich am Auto-Scooter stand, wo gerade aus den Lautsprechern “Anton aus Tirol ” erklang. Mit blutrünstigen Augen schaute ich mich um und bemerkte neben mir 2 Typen, die einen etwa 14 Jahre alten Jungen in der Mangel hatten und ihn piesackten.
Ich weiss jetzt nicht, ob es die in mir aufgestauten Aggressionen waren, oder ein Robbin Hood, Gandi, Albert Schweizerartiger Drang, zu helfen, das Böse zu besiegen, der mich drohend sagen ließ:” Eij, Dir Debbe, losst der Boub gehn, sonst rommbelts!” Um es kurz vorweg zu nehmen, das Böse wurde an diesem Abend leider nicht besiegt! Die Peiniger liessen von ihrem Opfer ab, welches die Chance war nahm das Weite zu suchen und wandten sich mir zu. Der Eine, der einen etwas ungepflegten Jogginganzug ´trug, starrte mich staunend an und fragte:”Ess Ebbes?”
Der Andere trug ein gelbes, ärmeloses Bodyshirt und war an den Armen ordentlich tätowiert. Den linken Unterarm, zierte eine Schlange, bei der einige Unegalitäten Aufschluss über den augenblicklichen Blutalkoholgehalt des Tatto- Künstlers gaben.
Den rechten Arm verzierte ein stümperhaft gestochenes Herz, in dem geschrieben stand:”UTE”. Unterhalb von “UTE”, hatte der Meister in grossen, krackeligen Lettern, “LOVE” tättowiert. Gerade über die Message dieses Tattos, schien sich der Besitzer nicht im Klaren zu sein, denn er fing an mich zusammen zu schlagen und er machte seine Arbeit sehr ordentlich. Die Sanitäter waren unfreundlich und sagten, es würde jetzt aber reichen, sie hätten ja noch Andere zu versorgen.
Jetzt hatte ich endlich genug, bestellte mir ein Taxi und fuhr nach Hause.
Als mich der Fahrer fragte:” Onn warschde omm Fest?”, gab ich keine Antwort.
Liebe Freunde, bitte mailt mir, ob ihr die Storys gut findet oder nicht, oder schreibt was in Gästebuch. Wenns Euch gefällt, mach ich weiter, De Maddin!